Vortrag über die Geschichte der französischen Glaubensflüchtlinge im Rauschenberger Rathaus

aus: Marburger Neue Zeitung

116 Hugenotten siedelten vor rund 3 00 Jahren auf der "Schwobe"

11.09.2003

Rauschenberg. (hh). Mit einem Vortrag von Gerhard Badouin über die Geschichte der "Hugenotten und Waldenser in Hessen-Cassel" setzte der Kultur- und Verschönerungsverein Rauschenberg seine Lesungen im Rauschenberger Rathaus fort.

Es war der 4. Juli 1687, als 116 Glaubensflüchtlinge auf der "Schwobe" ankamen und ihre Parzellen auf der rund 100 Hektar großen, ehemaligen Hutefläche der Rauschenberger Bürger zugeteilt bekamen.

Viele von ihnen glaubten noch, wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können und bauten deswegen zunächst nur barackenähnliche Gebäude. Einige blieben in der Tat nicht allzu lange und zogen weiter. Viele siedelten sich jedoch an.

Heute gibt lediglich der Name oder der Stammbaum noch Aufschluss darüber, wer ein Nachkomme der Hugenotten oder Waldenser ist.

Mit großem Interesse lauschten etwa 25 Zuhörer gespannt dem etwa eineinhalbstündigen Diavortrag des diesjährigen Otto-Ubbelohde-Preisträgers Gerhard Badouin, dessen Vorfahren - am Nachnamen unschwer zu erkennen - französische Glaubensflüchtlinge waren.

Und es war in der Tat eine "Flucht", betonte Badouin. Die mit dem Leben bedrohten Hugenotten und Waldenser, mussten nach dem "Edikt yon Nantes" ihre Heimat, die "Dauphine" an der Grenze zu Italien und das heutige Departement "Picardie" nordöstlich von Paris verlassen, um zu überleben.

Von den 250 000 Flüchtlingen kamen rund 44 000 nach Deutschland. 4000 von ihnen nahm Landgraf Karl von Hessen-Cassel auf. Doch seine Vorstellung, die durch den 30-jährigen Krieg entvölkerten Städte seiner Grafschaft, wie zum Beispiel Homberg wieder zu beleben, ging nicht auf. Es entstanden neue Orte wie Todenhausen, Schwabendorf, Wolfskaute oder Hertingshausen.

Das die ehemaligen Franzosen nicht mit leeren Händen kamen, ist im Dorfmuseum in Schwabendorf zu sehen. Die erst. vor einigen Jahren erworbene Strumpfwirkmaschine belegt den hohen Wissensstand der Neuankommenden. Nach entbehrungsreichen ersten Jahren, führte die Produktion von Strümpfen zu einer regelrechten wirtschaftlichen Blühte Schwabendorfs. Bis auf die Märkte nach Kassel und Frankfurt gingen die Schwabendorfer, um ihre Produkte zu verkaufen. Doch auch diese Zeit ging mit der Erfindung des Webstuhls und dem Einsatz von Baumwolle vorüber.

Weder Sprache noch eine besondere Religiosität weisen heute auf die Ursprünge der Schwabendorfer hin. Lediglich die regelmäßige und bisher wenig überformte Anlage des Dorfes, sowie die Orts- und Häusernamen, deren heutige Eigentümer nur noch wenig mit den Vorbesitzern zu tun haben, zeugen von der Vergangenheit des heutigen Rauschenberger Stadtteiles.